Pyrenäen-Tour 2012
Für den letzten Tag habe ich mir etwas Druck auferlegt, denn auf meiner geplanten Route bis Narbonne muss ich über 200 km abspulen.
Und mein Zug Narbonne → Straßburg geht heute Abend um 21.54 Uhr ...
Zeitlich enge Randbedingungen also, welche einen frühen Start erfordern.
Gegen 7.00 Uhr will ich los.
Das müsste bei einem 20er Schnitt, welcher trotz vor allem ersten Teil etlicher Höhenmeter locker drin müsste, noch genügend Pufferzeit garantieren.
Für mich als sonstiger Spätlosfahrer ist die geplante Abfahrtszeit schon optimistisch.
Doch heute will ich kein Risiko eingehen, beeile mich entsprechend und fast pünktlich um 7.05 Uhr stehe ich abfahrbereit vorm Campingplatz.
Eine solche Marathondistanz wie heute habe ich mir auf Radreisen noch nie vorgenommen, ist einfach nicht mein Ding.
Heute wäre die Kilometerfresserei eigentlich auch nicht notwendig, denn nach Narbonne könnte ich auch auf erheblich kürzerem Weg gelangen.
Erst ein Schlenker zur Côte Vermeille, den ich mir in den Kopf gesetzt und unbedingt durchziehen will, lässt die Angelegenheit heute so ausarten.
Coll de Manrella (713m) - Piste in Frankreich / Asphalt in Spanien | Waldbrandverwüstung bis unmittelbar vor Agullana | Ist sehr schmal und gleichzeitig sehr steil - die Rampe zum Tour Madeloc (652m) |
Zunächst bin ich mal gespannt auf die Fahrt durch die Monts Alberes rüber nach Spanien.
Den ersten Teil auf der D13 bis Las Illas kenne ich schon von 2009.
Damals bin ich weiter zum Col de la Brousse, heute steht der Pistenabschnitt zum Grenzpass Coll de Manrella an.
Ab Las Illas muss ich mich durch ein ziemlich unübersichtliches und spärlich ausgeschildertes Schotterwegenetz steil ansteigend zum Pass kämpfen.
Die richtige Route ist nicht ganz einfach zu finden.
So lege ich eine Sackgassen-Irrfahrt hin, bei der ich mich eine 18 %-Rampe umsonst hochwuchte.
Es gibt eine Alternativroute, welche etwa 1 km vor Las Illas von der D13 abzweigt.
Eventuell ist über die der richtige Weg klarer zu finden.
Irgendwo vereinigen sich beide Pisten und nach etwa 1 h Fahrzeit erreiche ich den Coll de Manrella (713 m).
Kuriosum: die auf französischer Seite gut fahrbare Schotterpiste geht mit dem Grenzübertritt nach Spanien in ein astreines Asphaltband über.
Als Liebhaber aalglatter Straßen habe ich natürlich nichts gegen solche Geldverschwendung und segele entspannt durch schöne Korkeichenwälder runter nach Agullana.
So schön bleibt es nicht, denn bald mehren sich die Anzeichen, dass hier vor kurzem ein verheerender Waldbrand gewütet hat.
Großflächig haben die Flammen nur noch verkohlte Bäume übrig gelassen, auch unmittelbar bis vor die Häuser von Agullana.
Der Brandgeruch steht noch deutlich in der Luft, das Spektakel kann erst wenige Tage her sein.
Die Hinterlassenschaften der Feuersbrunst begleiten mich auch weiterhin, und es wird noch erheblich schlimmer.
Vor allem im Bereich der viel befahrenen Verkehrsachse Barcelona - Col de Perthus, welcher ich auf der N11 nahe La Jonquera für ein paar Kilometer südwärts folge.
Hier ist alles schwarz.
Ich biege dann ab nach Osten und irgendwann entschwinden die verwüsteten Flächen aus dem Blickfeld.
Durch hügeliges Gelände nähere ich mich nun dem Col de Banyuls, welchen ich nach steilem Schlussabschnitt erreiche.
Die Abfahrt auf der Meerseite fällt im oberen Bereich sehr steil ab.
Überrascht bin ich, dass ich hier tadellosen Asphalt vorfinde.
Die Karte ließ hier eher eine Rumpelpiste befürchten.
Das Ganze sieht noch neu aus, vermutlich wurde wegen eines Radrennens frischer Belag aufgezogen.
Collioure | Durch das Weinbaugebiet Corbières dem Tourziel entgegen | Staubiger Schlussakkord entlang des Canal de la Robine nach Narbonne |
Ab Banyuls-sur-Mer setze ich die Fahrt auf der Panoramastraße durch die küstennahen Weinberge fort.
Schweißtreibend steil geht es bereits unten zur Sache, der steigungsmäßige Hammer ist dann die Stichstraße zum Tour Madeloc (652 m).
Halbe Sturmwinde umtosen den Gipfelbereich und lassen meinen Racomputer teilweise verrückt spielen.
Er liefert kurzzeitig unsinnige Steigungswerte von -20 %, tatsächlich geht es deutlich im zweistelligen Plusbereich nach oben!
Neben mir versuchen sich zwei weitere Radler an der Rampe.
Einer scheitert trotz Mountainbikeübersetzung ganz, der andere kommt mit Rennrad nur noch schiebend vorwärts.
Ich mobilisere noch ein paar Körner und drücke die Rampe ohne größere Probleme nach oben.
Nach diesem unglaublich windigen Abstecher zum Turm rolle ich hinunter zum Meer nach Port-Vendres.
Kurzer Einkaufsstopp, dann weiter nach Collioure.
Eine Pause in dem schönen Städtchen muss zwar sein, doch sehr lange kann ich mich hier leider nicht aufhalten.
Es ist immerhin schon fast 14.00 Uhr und noch habe ich fast 120 km bis zum Bahnhof von Narbonne vor mir.
Mein Zeitplan ist damit schon leicht aus den Fugen geraten.
Bei nun anstehenden fünfzig Flachkilometern sollte das aber problemlos aufzuholen sein.
Ich trete also ordentlich rein auf meinem Weg entlang der Küste.
Besonders schön ist es nicht, viele Badeorte, viele Campinplätze.
Später verlasse ich die Küstenregion, um noch eine Schleife durch das Corbières zu drehen.
Es wird nun wieder interessanter und auch hügeliger.
Ich muss nun erheblich kämpfen, um halbwegs in den Regionen meines geplanten 20er Schnitt zu bleiben.
Heute Morgen hatte ich noch gedacht, dass der locker zu machen sei.
Davon kann keine Rede sein.
Nach drei Wochen Tour verlassen mich wohl doch langsam die Kräfte.
Eine kleine Krise muss ich im ansteigenden Abschnitt zwischen Opoul-Périllos und Feuilla überstehen.
Bei kräftigem Gegenwind komme ich dort, zumindest gefühlt, überhaupt nicht vom Fleck.
Danach läuft es wieder besser.
Den Schlusspunkt bildet der Radweg entlang des Canal de la Robine nach Narbonne.
Ein wenig bange ich während der staubigen Fahrt auf der unasphaltierten Piste mit meinem total abgefahrenen Hinterreifen.
Eine Reifenpanne kann ich jetzt nicht gebrauchen.
Doch es geht alles glatt und gegen 20.15 Uhr rolle ich vor den Bahnhof von Narbonne.
Computer:
Strecke 204,10 km | Fahrzeit 9:58:21 h | Ø 20,40 km/h | max. 58,50 km/h
Höhenmeter 2.553 m | Höhe max. 754 m | Steigung Ø 4 % | Steigung max. 20 % (Madeloc)